February 8, 2022
Henning Klimczak

Markenentwicklung: Evolution vs. Revolution

Orange speaker on orange wall

Wenn man eine Marke weiterentwickeln möchte, kommt man schnell an den Punkt, an den man sich fragt: Wohin soll die Reise eigentlich gehen? Wieviel Veränderung ist notwendig, um für die Zukunft gerüstet zu sein? Und eng damit verbunden: Wieviel Veränderung verträgt die Marke überhaupt? Und wieviel der bisherigen Marke sollte man wahren, um den über Jahrzehnte aufgebauten Markenwert zu schützen?

Eine Marke bietet diverse Stellschrauben, sie weiterzuentwickeln. Startend beim Namen, über das Logo, die Schrift, Farbigkeit, Bildwelt oder Gestaltungsprinzipien bis hin zu haptischen Erlebnissen. Die Kombination aus den obigen Fragen und den genannten Stellschrauben lässt erahnen, dass Leitfäden wie »how to redesign my brand« keineswegs zielführend sind.

In den vergangenen Jahren haben wir die Diskussion »Evolution vs. Revolution« häufig mit unseren Kunden geführt. Dabei ist schon die Abgrenzung und die Definition zwischen Evolution und Revolution nicht eindeutig: Stellen Sie sich vor, bei der Deutschen Bank würde man die Bildmarke ändern – wäre das nicht in jedem Umfang eine Revolution, während bei kleineren Unternehmen eine Anpassung in der Bildmarke vielleicht als Evolution betrachtet werden kann? Grundsätzlich orientiert sich eine evolutive Weiterentwicklung der Marke noch stark an dem bestehenden Corporate Design und versucht, dieses zu wahren und weiterzuentwickeln. Eine Revolution hingegen geht einige Schritte weiter und vollzieht an gewissen Punkten einen Bruch, einen klaren Cut.

Im Folgenden möchten wir mit Ihnen die Gedanken diskutieren, welche für eine der beiden Richtungen sprechen können.

Identität des Unternehmens

Design ist Mittel zum Zweck und sollte niemals zum Selbstzweck werden. Entsprechend müssen am Anfang des Prozesses immer folgende Fragen stehen: Wer sind wir, wofür stehen wir, wo kommen wir her und wo wollen wir hin? Haben wir seit Jahrzehnten ein stabiles, authentisches Image, welches wir von innen heraus leben und welches vom Markt geglaubt und gekauft wird? Oder bildet unser Außenauftritt lange schon nicht mehr das ab, wofür wir stehen und wie wir uns sehen? Diese Fragen stehen im direkten Zusammenhang mit der visuellen Status-Quo-Analyse und sind die Basis in der Entscheidung für eine Evolution oder eine Revolution. Genau das muss genau beleuchtet, hinterfragt und diskutiert werden, damit letztendlich alle Maßnahmen auf das gleiche Ziel einzahlen.

Weiterentwicklung des Geschäftsmodells

Eng mit der eigenen Identität ist auch das Geschäftsmodell eines Unternehmens verbunden. In nahezu jedem Unternehmen entwickelt sich das Geschäftsmodell im Laufe der Zeit weiter. Als plakatives Beispiel sind Medienunternehmen zu nennen: Während diese vor nicht einmal einem Jahrzehnt nahezu ausschließlich »offline« aktiv waren, sind digitale Kanäle heute nicht mehr wegzudenken. Dieser Wandel hat nicht nur Einfluss auf die Zielgruppen und deren Werte, sondern auch auf die innere Haltung des Unternehmens. Ein Corporate Design, welches in der analogen Print-Welt funktioniert, kann hingegen für die neuen Anforderungen überholt und nicht zeitgemäß sein. Auch überzeugt dieser »Look & Feel« weder Zielgruppen noch Kunden oder potenzielle Investoren.

Mit dem Redesign gibt es nun ein responsives Logo, dass sich verschiedenen Formaten und Medien anpassen kann.
Quelle / Bild: Axel Springer SE

Markenbekanntheit & Stakeholder

Die Bekanntheit der Marke, der entsprechende kommunikative Wert und auch das Involvement interner und externer Stakeholder spielen bei der Entscheidung »Evolution oder Revolution« eine wichtige Rolle.

Am plakativsten ist diese Aussage an den Beispielen des Rebrandings der international erfolgreichen Fußballclubs FC Bayern München und Juventus Turin aufzuzeigen. Beide Vereine haben zweifelsohne eine extrem hohe Markenbekanntheit und besitzen sehr viele verschiedene Stakeholder: Vereinsführung, angeschlossene weitere Sportarten und Sportler, Mitglieder und natürlich eine sehr große, internationale Fanbase. Trotzdem wählten beide Vereine verschiedene Wege: Während der FC Bayern München kleine Modifikationen am Logo vornahm, entwickelte man bei Juventus Turin ein im Fußball revolutionäres Logo. Der Weg der Bayern wirkt zunächst logisch: Die Änderungen sind so minimal, dass sie nur ein geschultes Auge wahrnimmt. Die evolutive Weiterentwicklung hält das Logo modern, verbessert die digitale Anwendbarkeit und erzeugt keinen medialen Aufschrei der Fanszene. Juventus Turin hingegen wählte einen anderen Weg. Um einen neuen Anspruch zum Ausdruck zu bringen und die »Marke« fit für die digitalen Kanäle zu machen, wurde sich für eine gestalterische Revolution entschieden. Die Verwunderung und auch die Ablehnung der internationalen Fans war zunächst groß. Doch neben der Tatsache, dass das Logo aus Design-Sicht äußerst gelungen ist, halfen auch weitere Aspekte dem Verein schlussendlich zu mehr Akzeptanz. Die tägliche nationale und internationale Berichterstattung von Juventus Turin ist so enorm, dass sich das neue Logo schnell durchsetzte. Nicht zuletzt hilft natürlich auch die Tatsache, dass ein echter Fan wohl nicht wegen der Änderung des Logos seinen Verein wechselt.

Was dieses Beispiel gut zeigt: Selbst in einem hochemotionalen Umfeld wie dem Fußball können beide Wege zielführend sein. Wichtig ist in jedem Falle, sich der Konsequenzen bewusst zu sein, geeignete Kommunikationskanäle zu finden und frühzeitig in den Dialog mit Stakeholdern zu gehen. Dann kann die Markenbekanntheit auch bei einer Revolution als Verstärker genutzt werden und »Markenfans« noch enger an die Marke gebunden werden.


Es braucht schon ein geschultes Auge, um die Änderungen am neuen Design zu erkennen. Unter anderem wurde das »Rot« angepasst, das »M«, »C« und die Buchstabenzwischenräume wurden optimiert.
Quelle / Bild: FC Bayern München

Juventus Turin hat mit dem neuen Design Mut gegenüber den Fans bewiesen und gestaltet die digitale Zukunft mit.
Quelle / Bild: Juventus Turin

Design-Trends

Nicht zuletzt können auch allgemeine Designtrends oder branchenspezifische Designtrends ein legitimer Anstoßpunkt für die Aktualisierung der Marke sein. Vor einigen Jahren wurden viele Marken auf das digitale Zeitalter vorbereitet, da die digitale Anwendung des Corporate Designs in der Entwicklung unbedingt bedacht werden muss. Marken, die in den digitalen Kanälen und in kleinen Anwendungen nicht funktionieren, mussten weiterentwickelt werden. Auch geht der aktuelle Trend in der Automobilbranche hin zu deutlich reduzierteren, flacheren Designs kann ein Anstoßpunkt sein, die eigene Automobilmarke zu hinterfragen. Wichtig ist, Markt- und Branchentrends zu beobachten, zu reflektieren, sich aber niemals davon treiben zu lassen. Die eigene Marke sollte aus sich heraus so stark sein, um authentisch auftreten zu können.

An der Weiterentwicklung der Marken Volkswagen und Nissan lassen sich klare Trends der Branche ablesen. Gleiche Entwicklungen sind u.a. bei BMW und Toyota zu sehen. Quelle / Bild: Volkswagen, Nissan

Fazit

Eine klare Empfehlung, ob Marken sich eher vorsichtig weiterentwickeln oder bewusst von Bestehendem lösen sollten, kann nicht getroffen werden, da die Umstände in jedem Fall höchst individuell sind. Weil sich solche Projekte immer mit dem Kern von Marken und Unternehmen beschäftigen, sind sie entsprechend sensibel. Auf dem Weg zur Entscheidung ist es wichtig, sich ausführlich mit der Identität des Unternehmens zu beschäftigen. Auch das zukünftige Geschäftsmodell spielt hierbei natürlich eine wichtige Rolle. Markenwerte wie Markenbekanntheit, aber auch einflussreiche Stakeholder sollten zu Beginn des Prozesses mit in die Überlegung eingeschlossen werden. Zu guter Letzt sollten auch Designtrends, ob global oder in der speziellen Branche, in den Prozess einfließen.